Jedes Rohrleitungssystem unterliegt einem kontinuierlichem Alterungs- und Abnutzungsprozess. Dem ist mit entsprechenden Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen entgegenzuwirken. Für Netzbetreiber stellt sich daher die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Trinkwasserleitung aus technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sanieren oder gar zu erneuern ist.

„Technisches Vorhersehen ist besser als ein havariertes Nachsehen“

Jan Glowig zur Zustandsbewertung von Trinkwasserleitungen

Bild Fachbereichsleiter Jan Glowig mit Rohrprobe im Rohrlabor des IAB

Seit dem 01. Februar 2021 neuer Fachbereichsleiter am IAB: Jan Glowig

Herr Glowig, Rohrleitungen sind Teil unserer urbanen Infrastruktur. Wie wichtig ist da die Prävention, um Schäden wie etwa durch Korrosion oder Überalterung zu vermeiden?

Glowig:  Ein technisches Vorhersehen ist besser als ein havariertes Nachsehen. Die Zustandserfassung anhand von Rohrproben einer Trinkwasserleitung gibt meist Aufschluss über den Zustand des Leitungsnetzes. Daraus lässt sich z. B. der Zeitpunkt für eine Erneuerung ableiten. Und dieser ist für Netzbetreiber entscheidend.

Warum?

Glowig: Wird zu früh erneuert, steht Geld auf dem Spiel und zusätzliche Kosten können entstehen. Eine zu späte Erneuerung dagegen erhöht das Ausfallrisiko und kann zu wirtschaftlichem wie auch materialtechnischem Schaden führen.

Welche Aufgabe stellt sich daher an die Netzbetreiber?

Glowig: Die Hauptaufgabe der Netzbetreiber ist erstmal die Sicherstellung der Versorgung mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser – und dies in ausreichender Menge. Eine sichere und wirtschaftliche Versorgung jedoch setzt eine gezielte Instandhaltung der Netze und somit die Kenntnis über deren Zustand voraus.

Dies bedeutet konkret?

Glowig: Da das Rohrleitungsnetz der Teil mit dem größten Anlagevermögen eines Netzbetreibers ist, bestimmen der Zustand und die Nutzungsdauer des Netzes maßgeblich dessen Qualität und Wirtschaftlichkeit.

Ab wann sind Leitungsnetze nicht mehr wirtschaftlich und „in die Jahre gekommen“?

Glowig: Die technische und betriebswirtschaftliche Nutzungsdauer aller Rohrmaterialien, Rohrverbindungen und Armaturen ist begrenzt und von verschiedenen Einflussfaktoren wie Korrosion, Verkehrsbelastungen oder auch den Bodenverhältnissen abhängig.

Für Netzbetreiber heißt das?

Glowig: Sie haben in der Regel einen genauen Wissensstand über einen Großteil ihre Rohrnetze und Rohrstränge. Diese Abschnitte sind ihnen bekannt und die Restnutzungsdauer lässt sich statistisch leichter ableiten.

Und für unbekannte Abschnitte …?

Glowig: … kann man mit der Entnahme und Untersuchung einer Rohrprobe auf den Grund gehen. Diese wird im Rahmen planmäßiger Wartungsarbeiten oder gezielt aus bestimmten Netzabschnitten vom Betreiber entnommen. Ferner bliebe noch die Rohrprobengewinnung im Schadensfall.

Bei einer Havarie?

Glowig: Korrekt! So kann zum einen die Schadstelle auf ihre Ursache hin untersucht wie auch Rückschlüsse auf den Zustand des angrenzenden Rohrleitungssystems gezogen werden.

Welche Rolle spielt dabei das Rohrlabor?

Glowig: Unser Rohrlabor ist eine von mehreren Prüfstellen am IAB und für die Untersuchung und Bewertung eben dieser Rohrproben aus Grauguß, Duktilguß und Stahl ausgelegt. Auf Grundlage der Ergebnisse einer „zerstörenden“ Prüfung ermitteln wir die Restnutzungsdauer von Rohrleitungen.

 Aus welchen Untersuchungsphasen besteht denn eine solche „zerstörende“ Prüfung?

Glowig: Zunächst durchläuft die Rohrprobe im Probeneingang einer optischen Kontrolle auf Schäden und andere Auffälligkeiten. Mit der anschließenden Teilung des Rohrstücks kann das Rohrinnere auf Inkrustierungen untersucht werden. Im finalen Schritt folgt dann die Bearbeitung in der Sandstrahlkabine. Hier wird die Rohrprobe bis zum Zustand einer metallisch blanken Oberfläche bearbeitet. Daraus lässt sich der Korrosionsflächenanteil in Bezug zur gesamten Rohroberfläche bestimmen.

Und nach der „zerstörenden“ Prüfung?

Glowig:  Vergleichen wir die mittlere statistische mit der technischen, also der im Rohrlabor ermittelten Nutzungsdauer. Dabei spielen verschiedene Faktoren wie Material, Alter, Rohrdurchmesser und Wandstärke der Rohrprobe eine wichtige Rolle. Daraus wird dann die Restnutzungsdauer ermittelt.

Für welchen Einsatzzweck wurde das Rohrlabor ursprünglich konzipiert?

Glowig: Das Labor wurde zunächst für Untersuchungen im Rahmen von Forschungsprojekten entwickelt. Mittlerweile bieten wir Betreibern von Leitungsnetzen der Wasser- und Gasversorgung diese Untersuchungsmethode als Dienstleistung an.

Relevante Links

► Rohrlabor (Prüfstelle)
► Untersuchungen von Metallrohrleitungen (Dienstleistung)
► Tiefbau-Fachbereich mit neuer Leitung (Portrait Jan Glowig)

12.04.2021