Die Überwachung einer in der Produktion erwünschten Kristallform gestaltet sich oftmals schwierig. Am IAB Weimar wurde das Problem mit Hilfe automatischer Bilderkennung im Forschungsvorhaben “AlphaGipsOnline – Überwachung im Kristallisationsprozess” gelöst.

Bild Grafik der Bildsegmentierung in einer niedrig konzentrierten Suspension

Bildsegmentierung in einer niedrig konzentrierten Suspension

AlphaGipsOnline: Überwachung im Kristallisationsprozess

Kristallform als Qualitätsmerkmal

In der Produktion kristalliner Stoffe ist die Kristallform oftmals ein wichtiges Indiz für die erreichte Produktqualität. Die Kristallform ändert sich oftmals rasch mit Parametern wie Prozessdruck oder -temperatur. Da die Form in manchen Fällen chemisch nur schwer nachweisbar ist, müssen andere Möglichkeiten der Überwachung gefunden werden.

Überwachung und Steuerung der Gipsproduktion

Die Kristallisation hochwertiger Gipse im Suspensionsverfahren bildet ein gutes Beispiel für einen Prozess, in dem die Kristallform die Qualität des Produktes signifikant beeinflusst. Gipse, welche sich aus großen, regelmäßig geformten Kristallen (α-Kristalle) zusammensetzen, zeichnen sich im abgebundenen Zustand durch hohe Endfestigkeit und feine Oberflächenstruktur aus. Diese Gipsmodifikation erzielt am Markt deutlich höhere Gewinnmargen als die aus nadelförmigen Kristallen (β-Kristalle) zusammengesetzte Standardform des Gipses (siehe Bild 1). Chemisch sind die beiden Formen dabei nicht zu unterscheiden und die Umkristallisation erfolgt in der Produktion schon bei geringem Druck oder Konzentrationsschwankungen schlagartig. Die Steuerung erfolgte dabei bisher auf der Basis weniger Parameter und setzte die langjährige Erfahrung des Anlagenfahrers voraus. Diese beiden Aspekte gaben den Anstoß für die Entwicklung eines Online Überwachungssystems zur Steuerung der α-Gips Produktion im Suspensionsverfahren.

Bild Kristallformen in der Gipsproduktion

Nadelform (β-Kristalle), regelmäßige Kristalle (α-Kristalle), Ausgangsmaterial (Dihydrat), Zwischenstufe zwischen α- und β-Kristallen (v.l.n.r.)

Bildauswertung als Lösungsansatz

Das zur Lösung dieser Aufgabe entwickelte Analysesystem basiert auf einer automatischen Bilderfassung im Kristallisationsreaktor. Eine anschließende Bildauswertung bestimmt anschließend die Ränder der sichtbaren Kristalle. Auf Basis dieser Informationen werden dann Formparameter berechnet, welche den augenblicklichen Zustand des Kristallisationsprozesses beschreiben.

Komplexe Bildsegmentierung

Die komplexeste Aufgabe bei dieser Herangehensweise ist dabei die Bildsegmentierung, also die Trennung der einzelnen im Bild sichtbaren Kristalle. Da die in der Produktion verwendete Suspension oftmals einen hohen Feststoffanteil aufweist, erscheinen die Kristalle oftmals nicht vereinzelt (wie in Bild 2 dargestellt), sondern liegen direkt neben- bzw. übereinander. Zusätzlich erschwert wird die Segmentierung durch Reflexionen an den Kristalloberflächen. Diese führen zu starken Helligkeitsdifferenzen in der Abbildung und damit zu einer Unterbewertung der den Kristallrand bildenden Strukturen. Am IAB Weimar ist es jedoch gelungen, durch Kombination verschiedener morphologischer Filter eine sichere Trennung der Einzelkristalle zu realisieren und damit die Basis für die anschließende quantitative Bildauswertung zu legen.

Prozesskontrolle in der Produktionsumgebung

Das oben beschriebene Verfahren erlaubt eine direkte Überwachung des aktuellen Prozesszustandes und damit eine schnelle Reaktion auf mögliche Änderungen der Produktionsbedingungen. Weiterhin lassen sich langfristige Veränderungen des Systems anhand von Trendkurven analysieren und bei Einbindung in ein Prozessleitsystem auch zentral dokumentieren. Das Alpha-Gips-Online-System liegt als vermarktungsfähiges Produkt vor und kann in der industriellen Produktion eingesetzt werden. Aufgrund der guten Konfigurierbarkeit ist ein Einsatz auch in anderen Bereichen der chemischen Industrie denkbar.


Ansprechpartner

Dr.-Ing. Justus Lipowsky
+49 (0) 3643.8684-156
+49 (0) 3643.8684-113
j.lipowskyiab-weimar.de

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